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Bilder und Text: Karla Hoppe


Wenn in Venedig die Sirenen heulen und mit einem dreifachen Signalton der Notstand ausgerufen wird, ist der Wasserspiegel auf 140 cm angestiegen. „Acqua alta“ ....... Hochwasser .... 90 % der Stadt sind überschwemmt!
Am Sonntag, 11. November 2012, lag er bei 150 cm, der höchste Wasserstand seit 22 Jahren. Er erreichte damit aber noch nicht die Rekordmarke von 194 cm vom 4. November 1996, als fast ganz Venedig unter Wasser stand. 
Eine Stadt im Wasser, inmitten einer Lagune auf 100 Inseln erbaut, kämpft mit Problemen. Das Land senkt sich und das Meer steigt ständig an. Im Laufe der Geschichte gab es zwar immer wieder mal Hochwasser, jedoch hat sich die Häufigkeit in den vergangenen 40 Jahren verdoppelt. Klimaforscher sagen voraus, dass Venedig in 50 Jahren jeden dritten Tag unter Wasser stehen könnte.

Aber warum kommt es immer häufiger zu „acqua alta“?

Das Hochwasser in Venedig folgt dem Zyklus der Gezeiten, sechs Stunden lang steigt der Wasserspiegel und in den daraufolgenden Stunden fällt er. Zu „acqua alta“ kommt es vor allem im Herbst und Winter, wenn bei besonders starker Flut und niedrigem Luftdruck der Wind das Wasser landeinwärts bis in die Kanäle drückt.
Drei Hauptfaktoren werden von den Forschern auf die Fragen nach dem Anstieg der Häufigkeit genannt: Erstens verursacht die globale Klimaerwärmung einen steigenden Meeresspiegel, zweitens sinkt die Stadt allmählich ab – sie ist im letzten Jahrhundert insgesamt 25cm durch die Schwere der Bauwerke abgesackt und sinkt zusätzlich weiter wegen Grundwasserentnahmen der Industrie aus der Lagune. Als dritte Ursache nennen die Wissenschaftler die Erweiterung und künstliche Vertiefung der Hafeneinfahrten. Stetig drücken die Grundmassen von unterhalb der Stadt in den Raum hinein, der dort durch den Aushub nachhaltig erzeugt wird. Außerdem sorgen der intensivere Schiffs- und Bootsverkehr und seit einigen Jahren auch die Durchfahrt gigantischer Kreuzfahrtschiffe zunehmend für eine kräftigere Strömung.

Erst über dreißig Jahre nach dem schlimmen Hochwasser von 1996 begann man in Venedig ernsthaft über Rettungspläne zu diskutieren, Gremien und Stiftungen zum Erhalt der historischen Stätten zu gründen, die Unesco wurde eingeschaltet und 2001 ein Anti-Flut-Projekt von der italienischen Regierung beschlossen: das „Modulo Sperimentale Elettromeccanico“, abgekürzt „Mose“: 79 riesige Stahlkästen – je fünf Meter dick, 20 Meter breit und bis zu dreißig Meter hoch, im Meeresgrund verborgen und verankert, auf einer Gesamtlänge von anderthalb Kilometern – werden installiert. Droht Hochwasser, wird Luft hineingepumpt, damit sie sich aufrichten und so eine Flutmauer bilden, um die Fluten der Adria fernzuhalten. Jedoch haben die hohen Kosten, zu erwartende ökologischen Auswirkungen und eine umstrittene Wirksamkeit der Anlage bisher bewirkt, dass sich die endgültige Inbetriebnahme bis heute verzögert hat und jetzt für 2014 geplant ist.

Hochwasser in Venedig ist ein Phänomen, an das die Venezianer mittlerweile gewöhnt sind. Sie haben gelernt, mit den Wassermassen zu leben. Mit Blechbarrieren vor den Eingangstüren und Gummistiefeln schützen sie sich, Gehstege liegen bereit und sind in Minutenschnelle aufgestellt. Den Besuchern werden bei Ankündigung von Hochwassergefahr Gummistiefel und farbige Plastik-Überschuhe verkauft. Das venezianische Leben geht wie gewohnt – wenn auch etwas beschwerlicher – weiter. Die meisten Besucher nehmen „acqua alta“ mit Gelassenheit und Humor (was sollen sie auch anderes machen?), drängeln sich über schmale Holzstege, Kinder haben ihren Spaß und Fotografen begeistern sich an ungewöhnlichen Motiven und herrlichen Spiegelungen der historischen Bauwerke.

Venedig, eine Stadt mit 60.000 Einwohnern kämpft nicht nur mit Wasser-, sondern auch mit ihren Besuchermassen. Rund 30 Millionen Touristen jährlich hat die Stadt zu verkraften, sie leidet zunehmend unter dem gewaltigen Ansturm. Die Hälfte der Bewohner ist in den letzten 50 Jahren aus der Altstadt geflohen.
Wie sieht die Zukunft von Venedig aus? Verliert die Lagunenstadt ihren romantischen Charme durch das Projekt „Mose“? Steht dem einzigartigen Weltkulturerbe im wahrsten Sinne des Wortes „das Wasser bis zum Halse“?


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Karla Hoppe  • Erfurtstrasse 70  •  53125 Bonn/Germany  • Fon: +49 (0) 228 25 63 18  • Fax  +49 (0) 228 25 05 08